Ihr Weg in die Arbeitswelt
Zwei Mitarbeitende der Este Werkstätten. Foto: Andre Schaapen
Entwicklung zukunftsorientierter Einrichtungen
Die Inbetriebnahme der Schwinge Werkstätten im Jahr 1976 ist der Beginn einer faszinierenden Geschichte über die erfolgreiche Integration von Menschen mit Behinderungen in das Gesellschafts- und Arbeitsleben. Zu dem Zeitpunkt hatte noch niemand geahnt, welche wichtige Aufgabe dem DRK im Zuge dieses Projektes zukommen wird.
Die neu gebaute Einrichtung ging mit 35 gehandicapten Personen sowie acht Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern an den Start. Das vorrangige Ziel war es, Menschen mit körperlicher sowie geistiger Beeinträchtigung eine Teilhabe am gesellschaftlichen Leben zu ermöglichen und sie im Idealfall beruflich für den allgemeinen Arbeitsmarkt zu qualifizieren.
Das Angebot weitete sich aus. Nach und nach wurden neue Grundstücke erworben. Räume wie die „Großbäckerei Stahl“ und später das „Viets-Gebäude“ boten Platz für die Unterbringung von weiteren Beschäftigten mit Handicaps. Wie wichtig der Ausbau von Behinderteneinrichtungen ist, wurde spätestens 1991 anhand der immer größer werdenden Beschäftigtenzahl deutlich. Diese lag bei 317 und zehn Jahre später bei 410 Angestellten.
Mit der Errichtung der „Manufaktur“ wurde eine hinsichtlich beruflicher Inklusion benachteiligte Bevölkerungsgruppe angesprochen. Menschen mit psychisch/seelischer Beeinträchtigung haben nicht selten mit Arbeitsverlust oder Frühberentung zu tun. Seit dem Bestehen der Manufaktur können sich Betroffene trotz vorhandener Beeinträchtigung beruflich weiterbilden und arbeiten. Die Ausübung einer Tätigkeit ist nicht nur ihr existenzielles Bedürfnis, sondern auch ihr Recht. Seit 2009 ist dies in Deutschland gesetzlich geregelt.
Für die damaligen DRK Werkstätten, die 2001 in Schwinge Werkstätten umbenannt wurden, war dies noch lange nicht das Ende des Schaffungsprozesses. Es folgten Vergrößerungen und Modernisierungen. Eine Altentagesbetreuungsstätte für ältere Menschen mit Behinderungen hatte es zuvor im Landkreis Stade nicht gegeben. Im Jahr 2003 entstanden hierfür 14 Betreuungsplätze im eigenen Gebäude am DRK Wohnheim Stade.
Im selben Jahr wurden Teile des Manufakturgebäudes durch einen Brand zerstört. Obwohl nicht alles nach Plan lief, ließen sich die Rotkreuzlerinnen und Rotkreuzler nicht entmutigen. Im Gegenteil – ihr Engagement und ihre Motivation schienen grenzenlos zu sein.
Neben dem Neuaufbau der Manufaktur wurden Jahr für Jahr immer mehr Projekte realisiert. Darunter die Tagesförderstätten mit bis zu 30 Betreuungsplätzen für Menschen mit schweren Beeinträchtigungen sowie die 2005 ins Leben gerufene Zebra Stiftung. Mittlerweile werden mit rund 110 Fachkräften mehr als 120 Plätze in unterschiedlichen Wohnformen unterhalten.
Der 15. September 2006 war das Jahr des 30-jährigen Bestehens der Schwinge Werkstätten.
Knapp über 500 Personen fanden hier eine auf ihre Fähigkeiten zugeschnittene Arbeit.
2011 kam eine neue Hürde auf den Kreisverband zu. Mit der Abschaffung des Zivildienstes fehlten plötzlich wichtige Betreuungskräfte. Der Bundesfreiwilligendienst
sollte die rettende Alternative werden. Tatsächlich wurde diese Herausforderung ebenso erfolgreich gemeistert. Die Schwinge Werkstätten erlangten 2012 den Status „offizieller Bildungsträger“ und feierten 2016 mit 558 Beschäftigten ihr 40-jähriges Jubiläum. Hiernach ging es mit dem Erfolgskurs weiter.
Neben dem Nachbarschaftscafé im „Haus der Vielfalt“, der Zweigstelle in Buxtehude „Este Werkstätten“ und dem „Stader Fachmarkt“ wurden 2020 in der „macherei“ neue Arbeitsbereiche mit insgesamt 40 nachhaltigen Werkstattplätzen eröffnet. Für insgesamt 1,3 Millionen Euro wandelte das DRK den ehemaligen Großhandel der Familie Stülten am Haddorfer Grenzweg in die heutige „macherei“ um. Hier arbeiten Menschen mit Handicaps auf 1.400 Quadratmetern in den Bereichen Fahrzeugaufbereitung, Reifenmontage, Textilreinigung und in der Second-Hand-Boutique.
Ähnlich wie das „Haus der Vielfalt“ und der „Stader Fachmarkt“ gehört ebenso die „macherei“ zu den Arbeitsstandorten, an denen Dienstleistungen für Privatpersonen angeboten werden und die Beschäftigten im direkten Kontakt zu der Kundschaft stehen. Es ist ein Beweis für eine gelungene Eingliederung in der Arbeitswelt. Dies ist das Resultat des Berufsbildungsbereichs und der individuellen Förderung. Bezeichnend ist hierbei die Unterstützung des multiprofessionellen Teams, das sich aus handwerklich und sonderpädagogisch ausgebildeten Fachkräften sowie der sozialen und psychologischen Dienstleistenden zusammensetzt.
Der Berufsbildungsbereich ermöglicht praktische und fachtheoretische Erfahrungen in verschiedenen Berufsfeldern zu sammeln. Ziel ist es, die Teilnehmenden fachlich zu qualifizieren, die Leistungsfähigkeit zu steigern und die Persönlichkeitsentwicklung positiv zu begleiten und zu fördern. Seit Januar 2022 gibt es dieses Angebot auch in den Este Werkstätten in Buxtehude.
Die gesamten Entwicklungen verdeutlichen die bedeutungsvolle Funktion der Schwinge Werkstätten für die Gesellschaft. Seine verschiedenen Angebote – von beruflicher Qualifikation über therapeutische Maßnahmen bis hin zur Feriengestaltung – sind der Schlüssel zu den vielen Türen, die sich für Menschen mit geistigen, körperlichen sowie seelischen Behinderungen für immer öffnen.