Gemeinsam stark durch alle Krisen

Die großen Hilfsaktionen

Foto: Sturmflut in Norddeutschland im Februar 1962: überfluteter Stadtteil und Straße in Hamburg. Auch der Landkreis Stade war stark betroffen. © DRK

Menschen zwischen Flut, Sturm und Schnee

Im Jahr 1962 raste eine gewaltige Sturmflut auf den Landkreis zu. Mehrere aufeinanderfolgende hohe Flutwellen überschwemmten das Land. 40 Deiche brachen. Viele Ortschaften standen unter Wasser. Auch Teile der Stader Altstadt wurden überflutet. Rund 3.000 Personen wurden obdachlos. Zehn Menschen starben in den Fluten. Die entsetzlichen Bilder von den gewaltigen Zerstörungen begleiten bis heute die Zeitzeugen. Etliche Krankentransporte und tausende von Mahlzeiten für hunderte von Evakuierten wurden organisiert. Viele Freiwillige kamen, um zu helfen. Sie boten Übernachtungen für die Flutgeschädigten, brachten Decken sowie Bekleidung und spendeten Möbel. 

Gefolgt von dem Orkan Capella kam es 1976 zu einer weiteren Hochwasserkatastrophe. Diese galt als eine der höchsten Sturmfluten des 20. Jahrhunderts an der deutschen Nordseeküste und der Elbe. Infolge des Orkans kamen in Deutschland mindestens 16 Menschen ums Leben. In ganz Nordwesteuropa waren es 82. Im Landkreis Stade gab es zum Glück keine Todesopfer. Die Fluten zerstörten jedoch unzählige Bauernhöfe und richteten beträchtliche Schäden an. Dabei ertranken hunderte Nutztiere. Ältere Einwohnerinnen und Einwohner, die den großen Wassermengen hilflos gegenüber standen konnten per Helikopter und Boot evakuiert werden. In den Notaufnahmelagern wurde Tag und Nacht Verpflegung bereitgestellt. Täglich gaben die Verpflegungsgruppen um die 1.800 Essensportionen aus. Mehr als 6.000 Helferinnen und Helfer waren im Einsatz. Zwei Wochen lang herrschte ein Ausnahmezustand, der mit viel Hilfsbereitschaft, Durchhaltevermögen und Erfahrungen gemeistert wurde.  

Dass 1978/79 der Norden Deutschlands im Schnee und Chaos versinken würde, konnte niemand ahnen. Die extremen Schneefälle in Verbindung mit kräftigen Stürmen erreichten ein unbegreifliches Ausmaß. Meterhohe Schneeberge blockierten alle Verkehrsverbindungen. Dutzende Ortschaften wurden von der Außenwelt abgeschnitten und der Landkreis lahmgelegt. Viele Bauernhöfe waren tagelang ohne Strom. In eisiger Kälte kämpften die Menschen gegen die Schneemassen an. Trotz der Gefahr selbst im Schnee stecken zu bleiben, machten sich die Rotkreuzlerinnen und Rotkreuzler auf den Weg zu den Hilfseinsätzen und evakuierten zahlreiche Menschen. 

Im Jahr 2000 führten starke, tagelange Regenfälle dazu, dass das Auetal in Horneburg überschwemmt wurde. Noch bevor es dazu kam, wurden die ersten Maßnahmen zur Abwehr der Hochwasserkatastrophe getroffen. Der Einsatzstab des Landkreises setzte die notwendige Logistik in Gang und forderte Hilfe aus den Nachbarkreisen. 1.400 Frauen und Männer aus mehreren Hilfsorganisationen waren im Einsatz. Das DRK versorgte gemeinsam mit der Johanniter Unfallhilfe die Helferinnen und Helfer mit insgesamt mehr als 10.000 Mahlzeiten. Die Ehrenamtlichen kümmerten sich zudem um die Betreuung vor Ort. Der Regen hörte auf, doch die Angst vor erneuten Überschwemmungen saß noch tief.

Ein großes Herz für Kinder

Das Grenzdurchgangslager Friedland im Landkreis Göttingen galt zwar als das „Tor zur Freiheit“, der Aufenthalt in der oft überfüllten Aufnahmestelle war jedoch für die geflüchteten und vertriebenen Familien nicht immer einfach. Gerade die jüngsten unter ihnen vermissten ihr behütetes Umfeld. Um den Kindern ein wenig Freude zu schenken rief 1984 das Jugendrotkreuz in Buxtehude zu einer Spielzeug Spendenaktion auf. Die Buxtehuder Bevölkerung hatte jede Menge gebrauchsfähiger Spielsachen gespendet und damit viele kleine Herzen glücklich gemacht. Aufgrund der großen Resonanz wurde die Aktion noch Jahre danach fortgeführt. 

Menschlichkeit im Chaos 

Im Jahr 1989 wollten über 7.000 Übersiedler die DDR über die Prager Botschaft verlassen. Ihr Ansturm hat die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Botschaft vor eine unlösbare Aufgabe gestellt. Materielle und personelle Hilfe seitens der Hilfsorganisationen war gefragt. Die Lage spitzte sich zu. Die Anspannung stieg. Die hygienische Situation, Seuchengefahr durch Mülllagerung, Kälte und die Ungewissheit hinsichtlich der Ausreise versetzte die Menschen in der Botschaft in Angst. Drei Rotkreuzler aus dem Kreisverband waren unter den vielen Helfern im Einsatz. Gemeinsam mit anderen Verbänden bauten sie eine Feldküche auf und richteten eine Krankenstation ein. Ebenso halfen sie bei der Betreuung der Geflüchteten und den Aufräumarbeiten. 

Nachbarn in Not 

Ansturm an die Prager Botschaft 1989: 7.000 Menschen wollen die DDR verlassen. Das DRK baute eine Krankenstation, eine Feldküche und halfen bei der Betreuung der Geflüchteten. © Waltraut Schroeder

Beißende Qualmwolken, pausenlos kreisende Hubschrauber und Tanklöschfahrzeuge – es sind Szenarien, die sich 1975 während der wütenden Waldbrände in Lüchow-Dannenberg abgespielt haben. Vor Ort mangelte es an Verpflegung, Wasser und Werkzeugen. Die Stader Bereitschaft wurde um Hilfe gebeten. Über Nacht organisierten die 22 Helfer Lebensmittel und bereiteten das Essen vor. Neben der Versorgung der erschöpften Feuerwehrleute und der Bundeswehreinheiten halfen sie überall dort, wo sie gebraucht wurden. 

Das ICE-Unglück von Eschede im Jahr 1998 gilt als die größte Eisenbahnkatastrophe der Bundesrepublik und eines Schnellzuges weltweit. 101 Menschen verloren ihr Leben. 88 Fahrgäste wurden schwer verletzt. Unter den tausenden von Sanitätern und Ärzten waren auch die ehrenamtlichen Helferinnen und Helfer aus dem Kreisverband am Unfallort. 

Die gewaltige Welle der Hilfsbereitschaft des DRK und der Bevölkerung zeigte sich im Jahr 2002 nach den Überflutungen in der Kreisstadt Eilenburg in Sachsen. Im Rahmen der Hilfsaktion „Nachbarn in Not“ kamen Spendensummen im sechsstelligen Bereich für den Wiederaufbau der überfluteten Region zusammen. Zudem wurden Sachspenden gesammelt und in das Katastrophengebiet transportiert.

Zwanzig Jahre später kam es im Juli 2021 zu verheerenden Zerstörungen durch das Hochwasser im Ahrtal. Betroffen war davon auch die DRK Kita „Gemünd II“ in Schleiden. Die Schäden beliefen sich auf 90.000 Euro. 

Den Flutopfern wurde wortwörtlich der Boden unter den Füßen weggerissen. 

Die zerstörte DRK Kita Gemünd II in Schleiden.

Das DRK startete mehrere Spendenaktionen und hat in der Hochwasserregion mit angepackt. Ehrenamtliche und Bereitschaften übernahmen gemeinsam mit den Kräften der psychosozialen Notfallversorgung die soziale Betreuung der Menschen vor Ort und verteilten Hilfsgüter. Die Hilfsbereitschaft war beeindruckend. Dem Aufruf zu Geldspenden folgten zahlreiche DRK Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sowie Privatpersonen aus der Region. Einige Ortsvereine spendeten ihre erwirtschafteten Beträge, die ursprünglich für Aktivitäten wie Seniorenausfahrten gedacht waren. Andere sammelten gezielt Spendengelder für den Wiederaufbau. Den eingegangenen Betrag von insgesamt 27.125 Euro stockte der Kreisverband auf, sodass noch im selben Jahr der betroffenen Kita 50.000 Euro zur Verfügung gestellt wurden. 

International aktiv

Als 1980 ein Erdbeben zwei Drittel der Wohnfläche des süditalienischen Dorfes Muro Lucano zerstörte, lebten unzählige Menschen monatelang in Wohnwagen, Garagen oder Wellblechbaracken. Fünf handwerklich versierte Mitglieder des DRK sind für vier Wochen in das Erdbebengebiet gereist, um beim Wiederaufbau zu unterstützen. Gemeinsam mit weiteren Helfern unter der Leitung zweier Bauunternehmen wurden 60 Häuser für die obdachlos gewordenen Menschen wieder gebaut. 

1991 und 1992 ging es für zahlreiche Ehrenamtliche aus Stade und Buxtehude in einem Konvoi auf eine beschwerliche Reise in die russischen Städte Brest, Jarcewo und Mozajsk. In den Krisengebieten mangelte es vor allem an Nahrungsmitteln und medizinischen Geräten. Die Stader Rotkreuzlerinnen und Rotkreuzler konnten gemeinsam mit anderen Organisationen Hilfspakte an Krankenhäuser, Kindergärten, Altenheime und zahlreiche Privatpersonen verteilen. 

1993 fuhren zwei Hilfstransporte vollgepackt mit Möbel, Lebensmittel, Speiseöl und Saatgut nach Kroatien. Die vom Bürgerkrieg betroffene Stadt Sisak lag in Trümmern. Tausende Menschen ergriffen die Flucht. Die Verbliebenen waren stark auf die humanitäre Hilfe angewiesen. Für die Ehrenamtlichen bedeutete die Reise in eine Kriegsregion eine Fahrt ins Ungewisse. 

Das Jahr 1999 stand ebenfalls ganz im Zeichen der internationalen Hilfe. Im Juli wurden während eines Benefizkonzerts Geldspenden für hunderte von Kindern, die in der psychiatrischen Klinik in Stimlje im Kosovo im großen Elend lebten, gesammelt. Rund 450 Gäste unterstützten gemeinsam mit dem Stader Tageblatt diese Aktion. 

Im selben Jahr kam es zum verheerenden Erdbeben in der Türkei. Das DRK reiste in die betroffene Stadt Kartal, um sich ein Bild davon zu machen, welche Hilfsgüter am dringendsten benötigt werden. Dank dem großen Engagement und der Spendenbereitschaft vieler Menschen im Landkreis Stade erhielten mehrere Krankenhäuser notwendige Geräte und Hilfsmittel. Bei einer Spendenaktion in Kooperation mit dem Stader Tageblatt kamen 250.000 DM zusammen. Damit wurde ein Operationssaal im türkischen Erdbebengebiet Gölcük ausgestattet. 

Gemeinsam mit der Firma Jahnke unterstützte der Kreisverband im Jahr 2000 ein Kinderheim in Orgeew in Moldawien. Drei Tonnen Hilfsmittel sowie Spielzeug und Kleider wurden für die 560 Kinder und Jugendlichen gesammelt.

Wir helfen Florian

Im März 2000 führte der Kreisverband in Zusammenarbeit mit seinen Ortsvereinen, dem DRK-Blutspendedienst, dem Knochenmarkspenderregister Sachsen-Anhalt e.V. und dem Stader Tageblatt die bisher größte Typisierungsaktion im Landkreis durch. Auslöser war die lebensgefährliche Leukämieerkrankung des damals sechsjährigen Florian aus Wischhafen. Auf Initiative des Kreisverbandes fanden unter dem Motto „Wir helfen Florian“ dutzende Typisierungstermine statt. 

Insgesamt wurden 4.841 potenzielle Knochenmarkspenderinnen und -spender gewonnen. 

Zur Finanzierung der Aktion standen 500.000 DM aus zahlreichen Geldspenden zur Verfügung.

Hilfe für Geflüchtete

Diese Notunterkunft bietet Platz für 300 Menschen. Foto: Justus

Im Jahr 2015 überraschte eine Flüchtlingswelle aus Syrien die Bevölkerung. Im Auftrag des Landkreises Stade schaffte das DRK in Zusammenarbeit mit anderen Organisationen binnen 24 Stunden eine Notunterkunft in den Berufsbildenden Schulen (BBS) in Stade zu errichten. Hunderte Asylsuchende wurden dort untergebracht und versorgt. Die Leitung der Notunterkunft übernahm der Kreisverband Stade. Anfangs standen 450 Feldbetten in zwei Turnhallen zur Verfügung, die in kürzester Zeit auf 600 Plätze in Hochbetten aufgestockt wurden. Drei Mal am Tag verteilten die Helferinnen und Helfer mehr als 400 Mahlzeiten. Sprachbarrieren, kulturelle Unterschiede und die Betreuung der Geflüchteten gehörten zu den großen Herausforderungen, denen sich die Freiwilligen und Hauptamtlichen stellten. 

Im Februar 2022 brach der Angriffskrieg auf die Ukraine aus. Es kam zur drittgrößten Fluchtbewegung nach dem Zweiten Weltkrieg in Europa. Auch der Landkreis Stade bereitete sich auf eine mögliche Aufnahme von geflüchteten Ukrainern vor. Zum Schutz wurde eine Notunterkunft im ehemaligen Impfzentrum in Stade-Ottenbeck, die vom Landkreis Stade betrieben wird, errichtet. Anfang April übernahm der Kreisverband die Leitung der Einrichtung. Im Unterschied zu 2015 suchten vor allem Frauen mit Kindern und ältere Personen Zuflucht. Babynahrung und Kinderartikel wurden in großen Mengen gebraucht. Die Spendenbereitschaft der Bürgerinnen und Bürger war nicht nur im Landkreis, sondern deutschlandweit sehr groß. 

In Zusammenarbeit mit engagierten Privatpersonen, Unternehmen und dem Landkreis Stade organisierte 2021 und 2022 der Kreisverband insgesamt drei Hilfskonvois in die Ukraine. Dabei wurden Sach- und Geldspenden sowie Arzneimittel für Krankenhäuser gesammelt und bis an die polnisch-ukrainische Grenze gebracht. Das DRK spendete zudem einen Rettungswagen, der noch heute in der Ukraine im Einsatz ist. 

Im Kampf gegen die Pandemie

Im Oktober 2021 nahmen die mobilen Impfteams ihre Tätigkeit auf. Ihr Auftrag lautete: die Bürgerinnen und Bürger gegen das hochansteckende Coronavirus zu impfen. Mehr als 5.000 Schnelltests pro Woche und 30.000 Impfungen innerhalb eines Jahres gehen auf das Konto der Einsatzkräfte.  

Das Erreichen der Testzentren war für ältere, pflegebedürftige sowie behinderte Menschen oft nicht möglich. Die Aufgabe der mobilen Impfteams bestand darin, diese Personengruppen in ihren Wohnräumen zu besuchen, bei möglichen Corona-Infizierten einen Abstrich für einen PCR-Test zu entnehmen und im Anschluss die Tests mit Zeitpunkt und Ergebnis zu dokumentieren.

Bei den vielen Herausforderungen galt es sich zu unterstützen. Die nötige Verstärkung kam aus verschiedenen Richtungen. Um die Impfbereitschaft zu fördern, organisierten die ehrenamtlich tätigen Mitglieder der Ortsvereine einen Shuttle-Service. Der Kreisverband stellte zudem das kostenlose Sozio-Med-Mobil für die Hin- und Rückfahrten zu den Impfstationen zur Verfügung. 

Im Dezember 2022 endete der Einsatzauftrag des Landes für alle Landkreise und kreisfreien Städte zum Betrieb von mobilen Impfteams.