„Eine Ansteckung wäre viel schlimmer“

Ärmel hoch für den wichtigen Schutz: Das Impfteam des Landkreises Stade ging im Januar im Stader DRK-Seniorenheim von Zimmer zu Zimmer, um die Bewohner zu impfen. Foto Kiewald

Kaum ein Tag vergeht, an dem nicht über die Impfung gegen das Coronavirus berichtet wird. Fast täglich werden Diskussionen in den Medien oder im Privaten über Impfstoffe, Impfzentren und Impfreihenfolgen geführt. Für Eleonore Holstein gab es hingegen nichts zu diskutieren.

Die Bewohnerin des Buxtehuder „Dr. Neucks-Heim“ ließ sich voller Überzeugung impfen. So wie viele andere Senioren und Mitarbeiter in den weiteren DRK-Heimen, im Rettungsdienst, den Sozialstationen und in den Einrichtungen für Menschen mit Handicap. 

Abwägen

„Das Virus ist viel gefährlicher“, sagt Eleonore Holstein. Untersuchungen und Studien geben ihr Recht: Laut dem Robert-Koch-Institut (RKI) ist das Virus für die über 80-Jährigen besonders gefährlich. Eine australische und US-amerikanische Studie ergab, dass weltweit jeder fünfte der über 85 Jahre alten Corona-Infizierten nicht überlebte.

Eleonore Holstein hat keine Sorgen vor möglichen Nebenwirkungen:

„Eine Ansteckung wäre schlimmer. Die Impfung ist außerdem die einzige  Möglichkeit, Herr der Pandemie zu werden“

Die 91-Jährige hofft darauf, dass sich das Leben wieder normalisiere, soziale Kontakte und Besuch wieder unbeschwert möglich sind. „Das wäre zu schön.“

Auch Pfleger geimpft

Dem pflichtet Christian Duschek bei. Der examinierte Altenpfleger krempelte ebenso den Ärmel hoch und ließ sich gerne piksen: „Ich habe eine Pflicht, Vorsorge zu betreiben.“ Schließlich arbeitet er mit einer Risikogruppe zusammen, gerade in Pflegeeinrichtungen mit Corona-Infizierten sei die Sterblichkeit besonders groß. 

„Die Angst, einen Bewohner unbemerkt mit Corona anzustecken, ist immer da. Das belastet die ohnehin anstrengende Arbeit zusätzlich“, berichtet Christian Duschek, der bereits seit zwölf Jahren in der Altenpflege tätig ist.

Bedenken wegen Nebenwirkungen oder gar Impfschäden hat der 31-Jährige wiederum nicht: „Ich bin gesund und habe keine Vorerkrankungen. Daher bin ich da optimistisch.“ 

Im Impfausweis von Christian Duschek steht es nun schwarz auf gelb: Der Altenpfleger ist gegen das Coronavirus geimpft. Foto Dede

So geht es offensichtlich auch vielen Kollegen von Christian Duschek. Rund Zweidrittel der Mitarbeiter des „Dr. Neucks-Heims“ haben sich impfen lassen, sagt Heimleiter Hartmut Peters: „Bei den Bewohnern waren es noch mehr. Fast alle ließen sich impfen.“ 

Sicherheit an erster Stelle

Inzwischen waren die Impfteams des Landkreises Stade in allen fünf DRK-Seniorenheimen des Kreisverbandes Stade. Die Bewohner wurden auf ihren Zimmern geimpft, die Mitarbeiter kamen nacheinander in jeweils vorbereitete Räume. 

Organisatorisch war das ein wichtiger und zugleich großer Aufwand. Schließlich mussten sich die Heime intensiv vorbereiten. Die Fachkräfte mussten zum Beispiel Einverständniserklärungen von Angehörigen einholen, wenn die Senioren nicht mehr selbst über eine Impfung entscheiden konnten. Alle Mitarbeiter mussten am selben Tag einen Coronaschnelltest machen. Während der Impfung in den Bewohnerzimmern begleiteten dann Fachkräfte das Landkreis­team.

Allein im Stader DRK-Heim wurden 168 Bewohner geimpft, so die Heimleitung Anette Dubbels: „Von 165 Mitarbeitern ließen sich 102 impfen – ich auch.“

Nachwirkungen?

Während die Senioren kaum Nebenwirkungen spürten, manche hingegen müde und abgeschlagen wirkten, traf es einige Fachkräfte heftiger, sagt Anette Dubbels. „Ich habe ebenso wie ein paar Kollegen Kopf- und Gliederschmerzen gehabt. Andere hatten Fieber.“ Der Körper habe reagiert, was nicht ungewöhnlich sei. Die Ärzte hatten das bei dem Aufklärungsgespräch erläutert.

Voller Einsatz trotz erhöhter Anforderungen

Anette Dubbels hofft wie Eleonore Holstein, dass sich der (Heim-)Alltag normalisiert: „Die Situation zerrt an uns allen.“ Mehr als ein Jahr arbeiten die Kollegen unter belastenden Bedingungen. Die Schutzkleidung erschwere die Pflege und Betreuung, die täglichen Schnelltest müssten Fachkräfte vornehmen, die dann auf den Wohnbereichen fehlen. Die Angst vor Coronafällen im Haus belastet zusätzlich enorm. 

Dennoch geben die Mitarbeiter alles für die Bewohner. „Wir haben zum Beispiel sieben Herbstfeste und sieben Weihnachtsfeiern veranstaltet. Jeweils in den einzelnen Wohnbereichen wurde gefeiert“, so die Stader Heimleitung. Die Hoffnungen ruhen nun auf der Impfung.

Skepsis bleibt

Dennoch entscheiden sich einige gegen eine Impfung gegen das hochansteckende Coronavirus. „Ihnen reichen die Studien dazu nicht aus. Die Impfstoffe seien zum Beispiel nicht lang genug erforscht. Und auch die Nebenwirkungen und Spätfolgen seien nicht ausreichend bekannt“, berichtet Anette Dubbels, ohne dabei die Beweggründe zu bewerten. 

Zwang zum Impfen ist kein Thema

So hält es der gesamte DRK-Kreisverband Stade. Niemand werde gedrängt, sich impfen zu lassen – weder Mitarbeiter, noch Betreute, Bewohner oder Kunden, betont der Vorstandsvorsitzende Uwe Lütjen:

„Die Entscheidung über die Impfung trifft jeder individuell für sich allein.“ 

Derzeit steigt die Impfbereitschaft in Deutschland. Besonders hoch ist sie bei den über 80-Jährigen. Eleonore Holstein kann das mit ihren 91 Jahren verstehen: „Es gibt keine Alternative, als sich impfen zu lassen.“