Erste Hilfe würde Dr. Sven Birkholz auch in Coronazeiten leisten. Eine Ansteckung mit dem Virus sei derzeit unwahrscheinlich, so der Stader Internist, Pneumologe und Notfallmediziner. Foto Dr. Sven Birkholz
Unfälle passieren auch in Zeiten der Corona-Pandemie – Notfälle machen keine Pause. Doch wie leistet man derzeit Erste Hilfe? Die geltende Abstandsregel von mindestens 1,5 Metern kann im Ernstfall kaum eingehalten werden. Wie man sich richtig verhält, erklärt Dr. Sven Birkholz im Gespräch mit Nina Dede. Der Stader Internist, Pneumologe und Notfallmediziner möchte Ersthelfern die Angst nehmen, anderen zu helfen.
Herr Dr. Birkholz, wir alle sollen wegen des Coronavirus voneinander Abstand halten. Wie leiste ich derzeit also Erste Hilfe?
Natürlich kommt es auch in der Coronakrise zu plötzlichen Notfällen. Die
Fachverbände ILCOR und GRC haben daher die Empfehlungen zur Wiederbelebung aktualisiert. Die Abfolge „Prüfen – Rufen – Drücken“ hat sich aber nicht verändert.
Was beinhaltet diese Abfolge?
Als erstes prüft man, ob der Betroffene noch atmet. Es reicht aus, auf Atembewegungen zu achten. Hebt sich zum Beispiel der Brustkorb. Außerdem muss das Kinn überstreckt werden, ohne sich aber dem Kopf zu nähern. Wenn keine Atmung erkennbar ist, ruft der Ersthelfer als erstes die Rettungsleitstelle unter 112. Danach sollte der Kopf mit einem luftdurchlässigen Tuch abgedeckt und die Herzdruckmassage begonnen werden.
Was für ein Tuch könnte das sein?
Geeignet sind ein leichter Schal, ein Baumwolltaschentuch oder etwa ein Mulltuch, das Eltern von Babys oftmals dabei haben. Wenn man einen zweiten, unbenutzten Mundschutz dabei hat, kann auch dieser verwendet werden. Seinen eigenen sollten Ersthelfer übrigens aufbehalten.
Reicht es aus, die Herzdruckmassage durchzuführen und auf eine Atemspende zu verzichten?
Bei Erwachsenen ist die konsequente Herzdruckmassage mit Aufrechterhaltung des Kreislaufs am wichtigsten. Man muss zirka 10 bis 15 Mal drücken, bis eine ausreichende Durchblutung des Gehirns vorliegt. Für das Überleben und die Vermeidung von Spätschäden ist die Beatmung am Anfang viel unwichtiger und sie unterbricht nur die gerade hergestellte Durchblutung.
Gilt das auch für Kinder?
Kinder stellen die einzige Ausnahme dar. Bei ihnen ist eine Atemspende für die Überlebenschance weitaus wichtiger. Die Wiederbelebung von Kindern kommt aber im Bereich der Ersthilfe
praktisch nicht vor.
Wie steht es um den Einsatz eines Defibrillators, die schon in vielen Einrichtungen wie Sparkassen zur Verfügung stehen?
Falls ein Defibrillator – AED – in der Nähe ist, kann ein zweiter Helfer diesen holen. Dafür darf aber keinesfalls die Herzdruckmassage unterbrochen werden.
Was sollten Ersthelfer machen, wenn der Verunglückte noch atmet?
Bei erhaltener Atmung und Puls wird die stabile Seitenlage hergestellt und ebenfalls die Rettungsleitstelle alarmiert. Dann macht es keinen Sinn, den Kopf abzudecken.
Kann man dafür belangt werden, wenn man aus Angst vor einer Ansteckung an Corona nicht Erste Hilfe leistet?
In Deutschland sind die unterlassene Hilfeleistung und die Behinderung hilfeleistender Personen Straftaten, so steht es im Strafgesetzbuch unter Paragraf 323c.
Das gilt allerdings nur dann, wenn man sich nicht selbst erheblich in Gefahr bringt oder andere wichtige Pflichten durch die Hilfeleistung verletzt.
Haben Sie ein Beispiel dafür?
Eine Person ist im Bahnhof ins Gleisbett gefallen und ein Zug rollt an. Der Ersthelfer würde sich selbst in große Gefahr bringen, wenn er ebenfalls ins Gleisbett steigt.
Wenn aber zum Beispiel in der Fußgängerzone jemand stürzt, muss man helfen?
Richtig, dazu ist jeder verpflichtet.
Ich sehe im Moment keine erhebliche Gefährdung von Ersthelfern, wenn die genannten Vorgaben befolgt werden.
Auch in der Coronazeit sollte niemand Angst haben, anderen zu helfen, die Hilfe brauchen. Außerdem wäre das größte Risiko, sich selbst mit dem Coronavirus zu infizieren, was derzeit sehr unwahrscheinlich ist. Dieses Risiko würde ich persönlich jederzeit eingehen.