Zu Ingrid Reuels hat der Altenpflege-Azubi Mohammad Sabbagh ein besonders inniges Verhältnis. Durch seine Arbeit verbessert der 24-jährige Syrer täglich sein Deutsch, schließlich ist Kommunikation ein wichtiger Aspekt seiner Arbeit. (Fotos Dede)
Während viele Einrichtungen mit dem zunehmenden Fachkräftemangel zu kämpfen haben, sind alle Stellen im „Dr. Buss-DRK-Haus für Senioren“ in Harsefeld besetzt. Auch alle Ausbildungsplätze konnten vergeben werden.
Das liegt entscheidend an der Heimleitung. Ute Meyer-Goertz geht ungewöhnliche Wege: Drei der fünf Auszubildenden in der Pflege sind Flüchtlinge. In der Küche absolviert ein Geflüchteter eine Lehre zum Koch. Zwei weitere arbeiten als Küchenhelfer sowie als Pflegeassistent.
Inspiration für andere
„Es hat sich rumgesprochen, dass Flüchtlinge bei uns willkommen sind“, so Ute Meyer-Goertz. Sogar aus den DRK-Kreisverbänden Cuxhaven und Harburg kamen Nachfragen. Die Herausforderungen hat sie allerdings alleine gemeistert.
Dennoch ist sie von ihrem Engagement überzeugt: Die Zusammenarbeit mit den Flüchtlingen mache Spaß, sie seien ein Gewinn für das Team und die Bewohner.
„Diese Menschen sind bereits hier in Deutschland. Wir müssen keine Fachkräfte oder Auszubildenden aus fernen Ländern holen“, ist die Heimleitung überzeugt.
Derzeit arbeiten sieben Männer aus Syrien, Guinea, dem Sudan und der Elfenbeinküste in dem Harsefelder Seniorenheim. Alle eint, dass sie ihre Heimat verlassen haben und sich in Deutschland ein neues Leben aufbauen wollen. Vielleicht auch deswegen sind die Bewohner den neuen Mitarbeitern offen gegenüber. Viele Senioren haben während des Zweiten Weltkrieges ebenfalls Gewalt, Zerstörung und Flucht erlebt.

Praktikum hilft beim Einstieg in den Beruf
Ute Meyer-Goertz gab den Männern die entscheidende Starthilfe. Zunächst arbeiteten die Flüchtlinge ehrenamtlich und absolvierten ein Praktikum, so auch Mohammad Sabbagh. Nach einem Praktikum im „Dr. Buss-DRK-Haus für Senioren“ wurde er im Juli 2017 als Pflegehelfer eingestellt. Rund ein Jahr später begann er seine Ausbildung zur examinierten Pflegefachkraft.
Auf die Lehre bereitet Ute Meyer-Goertz Mohammad Sabbagh und seine Mitstreiter intensiv vor. Zunächst lernte sie mit ihnen ein Mal pro Woche Deutsch. Doch schon bald merkte sie, dass der übliche Unterricht nicht ausreichte: „Sie wussten zwar, was Rot ist, konnten aber mit dem Begriff Rötung nichts anfangen. Das Schlüsselbein vermuteten sie zum Beispiel irgendwo am Bein.“ Also büffelte die Heimleitung mit ihren Schützlingen „Pflegedeutsch“.
Anfangs unterstützte sie dabei eine ausgeliehene Schaufensterpuppe. Doch die Arme fielen immer wieder ab und besonders beweglich war die Puppe auch nicht. „Wir haben die Schaufensterpuppe sehr sauber zurückgegeben, so oft wie wir sie gewaschen haben“, berichtet Ute Meyer-Goertz schmunzelnd. Anschließend kaufte sie eine Pflegepuppe. „Ich habe die Männer für die Schule fit gemacht.“ Kommen doch noch Verständnisfragen auf, vertieft sie mit den Auszubildenden den Unterrichtsstoff.
Wie dankbar die Männer ihrer Chefin sind, ist Mohammad Sabbagh beim Erzählen anzusehen: „Ohne Frau Meyer-Goertz hätten wir das nicht geschafft.“ Der 24-Jährige fühlt sich ausgesprochen wohl in dem Seniorenheim – und auch in Deutschland. Er kann sich eine Rückkehr nach Syrien nicht vorstellen. Muss er auch nicht: Ute Meyer-Goertz möchte ihn nach der Ausbildung übernehmen – das ist Integration und Nachwuchsförderung in einem. (nd)