Vom Flüchtling zum Rettungssanitäter

So geht Integration: Mohammed Alhari floh Ende 2015 aus dem Irak, nun hat der 30-Jährige seine Ausbildung zum Rettungssanitäter als einer der besten abgeschlossen.
Foto Dede

Auf der Flucht vom Irak ins sichere Europa bangte Mohammed Alhari um sein Leben und das seiner kleinen Familie. Heutet rettet er anderen das Leben. Der 30-Jährige arbeitet beim DRK-Kreisverband Stade als Rettungssanitäter. 

Erst vor wenigen Monaten hat Mohammed Alhari, der von seinen Arbeitskollegen und Freunden Mo genannt wird, seine Ausbildung beim Roten Kreuz mit der Abschlussnote 2 beendet. Er gehört zu den Besten seines Jahrganges. 

Kein einfacher Weg

Ehrgeiz, Lernwille und Toleranz sind sicherlich drei Attribute, die den jungen Mann gut beschreiben. Der Weg nach Deutschland war gefährlich, die fremde Sprache zu lernen schwierig, die Kultur kennenzulernen herausfordernd und die Bürokratie zu bewältigen nervenaufreibend. 

Ende 2015 verließ Mohammed Alhari mit seiner Frau und der neun Monate alten Tochter die irakische Hauptstadt Bagdad: „Wir sind über das Mittelmeer geflohen.“ 

Rund einen Monat war die Familie unterwegs, bis sie in Passau ankam. 

Von dort aus ging es direkt weiter nach Stade in die Notunterkunft, die in der BBS eingerichtet wurde. 

Für Außenstehende ist es oft nicht begreifbar: Warum setzt man sich solch einer Gefahr aus und flieht über das Mittelmeer? „Die Milizen haben uns keine Wahl gelassen“, so Mohammed Alhari. Die Chancen zu überleben seien auf der Flucht größer gewesen als in der Heimat: „Wir haben die Risiken abwägen müssen.“

Angekommen 

Eine zweite Heimat hat Mohammed Alhari nun in Stade gefunden, weil er sich hier ein neues Leben aufbauen wollte und dabei intensive Unterstützung bekommen hat. „Wir haben nur zwei, drei Wochen in der Turnhalle der Notunterkunft wohnen müssen“, sagt der 30-Jährige dankbar. Zwei Jahre lang konnte die Familie bei einem Lehrerehepaar wohnen. „Sie waren wie Eltern für uns. Einen Tag haben wir Deutsch gesprochen, einen Tag Arabisch.“ 

Gute Sprach-Voraussetzungen

Diese Unterstützung habe den Start in der Fremde sehr erleichtert, schließlich sind die Sprache und auch der Kontakt zu Einheimischen essentiell. „Deutsch ist eine sehr schwere Sprache. Allein die ganzen Artikel sind eine Herausforderung!“

Das ist im Englischen leichter. Ebenso wie seine Frau spricht Mohammed Alhari fließend Englisch: Beide absolvierten im Irak die universitäre Ausbildung zum Medizinisch-Technischen Laboratoriumsassistent (MTLA). Der Unterricht fand auf Englisch statt. Seine Frau arbeitet inzwischen wieder in einem Labor. 

Ein Traumjob

Mohammed Alhari entschied sich hingegen für eine weitere Ausbildung: „Ich mag den Umgang mit Menschen und kann ihnen helfen.“ Jeder Tag im Rettungswagen, jeder Einsatz ist anders. Obendrein hat er tolle Kollegen, die unterstützen.

Ressentiments oder gar Fremdenhass habe der Notfallsanitäter weder bei der Arbeit noch im Alltag erlebt: „Die Patienten sind interessiert und stellen Fragen.“ 

Sicherlich hilft ihm seine offene Art und die positive Einstellung dabei: „Die Vielfalt der Kulturen macht die Welt erst interessant. Das ist wie ein Regenbogen: Erst die verschiedenen Farben machen ihn so schön.“ Und genau deswegen möchte Mohammed Alhari Neues kennen lernen und doch Altes bewahren. „Zuhause ist gedankliche Pause: Dort sprechen wir Arabisch.“ 

Heimweh oder Probleme?

Heimweh habe der Stader nicht, auch wenn er seine Familie, Freunde und zum Beispiel Nachbarn vermisst. Er hadert nicht mit seinem Schicksal, sondern schaut positiv in die Zukunft – obwohl er seit mehr als zwei Jahren auf eine unbefristete Aufenthaltsgenehmigung wartet. „Im Irak war vieles zu wenig geregelt, das ist hier besser. Aber die deutsche Bürokratie ist manchmal schwer zu verstehen.“ Dennoch haben die Alharis keine Personalausweise. Also können sie zum Beispiel nicht mal einen Handy-Vertrag abschließen. Doch das sei angesichts eines sicheren Lebens durchaus ertragbar. (nd)