Katastrophenschutzübung mit realistischem Szenario
Ein realistisches Szenario für den Katastrophenschutz: Zur Lagebeurteilung gehört auch die Organisation um die Versorgung der Verletzten. 50 freiwillige Mimen spielten hier die Betroffenen. Fotos: DRK Kreisverband Stade
Tagelanger Starkregen. Aue, Este und Oste wälzen mit unglaublichen Wassermassen über den Landkreis Stade. Straßen sind unpassierbar, Brücken zerstört, Menschen müssen evakuiert, aus den Fluten gerettet oder medizinisch versorgt werden – dies und viel mehr könnte tatsächlich Wirklichkeit werden. Wie gut, dass der Katastrophenschutz sich auf solche Szenarien vorbereitet, wie z.B. am 1.10.2022, als in und um Harsefeld eine Katastrophenschutzübung stattfand, die für einen solchen Ernstfall probte.
Knapp 200 Ehrenamtliche beteiligt
Ein sogenannter Einsatzzug von 68 Mitgliedern unterschiedlicher Fachrichtungen des DRK-Kreisverbandes Stade stellte den Kern der Rettungskräfte dar, unterstützt von 15 Mitgliedern der DLRG, 30 Feuerwehrleuten, 8 Mitgliedern des Kreisverbindungskommandos der Bundeswehr, sowie den beiden Fachlehrgängen „Betreuung“ (15 Personen) und „Feldkoch“ (10 Personen). Dieses Fachpersonal zu koordinieren, oblag vor allem dem vierköpfigen Führungstrupp unter der Leitung des Zugführers Dennis Oelert (42). „Das war eine Herausforderung“, berichtet er, denn normalerweise besteht ein „Zug“ aus 30 bis 40 Personen. In dieser Übung waren zudem viele Beteiligte, die zum ersten Mal miteinander zusammenarbeiteten. Dass dabei nicht alles glatt ging, ist nicht verwunderlich.
Dennoch wurden die vielfältigen Übungsziele erreicht – und vorhandene Schwachstellen aufgedeckt.
An ihre Grenzen gebracht
Die Aufgaben waren derart konzipiert, dass sie nicht nur Standardsituationen darstellen, um die theoretischen Kenntnisse an der Praxis zu testen. Etwa 50 freiwillige Mimen waren involviert, die für ein realistisches Szenario sorgten. Vormittags stand die Rettung und Evakuierung der „Flutopfer“ im Vordergrund. Hierbei musste z.B. eine Betreuungsstelle in einem Harsefelder Schulzentrum eingerichtet werden, in einer als „Altenheim“ deklarierten Grundschule fiel der Strom aus, so dass Beatmungsgeräte nicht mehr funktionierten. Eine Person mussten aus der Aue „gerettet“ werden und eine „verirrte“ Jugendgruppe wurde im Wald aufgespürt. Hinzu kam, dass die Einsatzfahrzeuge mit „unbefahrbaren“ Straßen zu tun hatten. Ein Schwerpunkt lag dabei auf der Kommunikation – und da hat sich gezeigt, dass dies nicht immer reibungslos funktionierte. Zwei Jahre lang fanden keine Katastrophenschutzübungen statt.
Dass dabei gerade fachdienstübergreifende Schnittstellen Zeit benötigten, um sich zu sortieren, ist somit verständlich und eine wichtige Erkenntnis, um an diesem Punkt weiterzuarbeiten, selbst wenn die Ergebnisse am Ende zufriedenstellend waren.
Mittags gut verpflegt
Zwischen den Einsätzen wurden alle Beteiligten kulinarisch versorgt: Die Teilnehmer des Fachlehrgangs „Feldkoch“ konnten ihr Können zeigen und sowohl Übungsleitung, Einsatzkräfte und auch Mimen stärken. Eine Aufgabe, deren Bedeutung nicht unterschätzt werden darf, denn hungrige Helfer und Opfer sind nicht nur körperlich geschwächt, sondern neigen dazu, reizbar zu werden – das kommt in der stressigen Situation einer Katastrophe besonders ungelegen.
Busunglück lässt Retter im Regen stehen
Das Nachmittagsszenario bildete dann einen Rettungseinsatz bei einem Unfall zwischen einem PKW und einem Bus mit Evakuierten. Hier war neben der Problematik der eingeschränkten Infrastruktur auch die Herausforderung, dass eine neunköpfige Sanitätsgruppe mit ihrem „Gerätewagen Sanität“ zuerst am Unfallort eintraf. Damit können bis zu 5 Patienten medizinisch versorgt werden, bis weitere Rettungskräfte eintreffen. Bei ca. 50 Betroffenen muss daher zunächst die Lage insgesamt beurteilt und dokumentiert werden, damit niemand „verlorengeht“. Muss ein Arzt kommen? Wird ein Hubschrauber benötigt und wo könnte dieser landen? Schwierige Entscheidungen, die durch einsetzenden Starkregen noch komplizierter wurden: Um die Mimen nicht unnötig im kalten Schauer stehen zu lassen, wurde ihnen von der Übungsleitung erlaubt, sich abseits unterzustellen. So mussten sich die Retter erst orientieren, wo die „Patienten“ eigentlich sind. Auch dies kann im Ernstfall vorkommen, womit unverhofft eine weitere Situation gegeben war, die nicht mit dem theoretischen Standardvorgehen übereinstimmte.

Einsatzleitung hat große Pläne
Die Aufgabenausarbeitung übernahm die Leitungsgruppe des Kreisverbandes Stade. So entwarf sie das Szenario, holte Genehmigungen ein und lud Hilfsorganisationen ein. Die Hauptverantwortlichen Jenny Fromke (u.a. Ausbilderin im Katastrophenschutz) und Sven Honnefeller, der u.a. studierter „Master of Disaster“ (sic!) ist, arbeiteten Hand in Hand, um ein lehrreiches und interessantes Training ermöglichen zu können. Für die Zukunft würde sich Sven Honnefeller darüber freuen, eine Großübung mit noch mehr beteiligten Organisationen zu erleben.
„Ungewöhnliche Situationen, wie ein nächtlicher Einsatz, wären eine gute Übung“,
sagt er. Jenny Fromke könnte sich dazu z.B. einen „Flugzeugabsturz“ vorstellen. Auch die Einbindung von ungeübten Hilfskräften wäre eine realistische Herausforderung. Man darf also gespannt sein, welche Katastrophen in Zukunft auf dem Prüfungsplan stehen. (KL)