Die Zerstörung ist einzigartig: DLRG-Kameraden helfen nach Hochwasser

Eine Schneise der Verwüstung hinterließen die Wassermassen nach der Flutkatastrophe. Sie rissen Häuser, Fahrzeuge und Menschen mit sich. Nach Opfern suchten auch DLRG-Helfer aus der Region. Fotos: DLRG

So ein Ausmaß an Zerstörung hat Lars Müller noch nie gesehen. Häuserwände sind zu hunderten weggerissen, Lastwagen stehen verkeilt auf Straßen, Bahnschienen sind meterhoch unterspült. Diese Bilder von seinem Einsatz als stellvertretender Zugführer DLRG-Landeseinsatzzug Nord während der verheerenden Flutkatastrophe in Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz wird der 41-Jährige wohl nie vergessen.

Dabei hat Lars Müller aus Hollern-Twielen­fleth reichlich Erfahrung. Seit 25 Jahren ist er Mitglied in der DRLG-Ortsgruppe Stade: „Ich habe mehrere Elbe-Hochwasser und zwei Oder-Hochwasser erlebt.“ Bei diesen Einsätzen habe er lediglich zwei, drei stark beschädigte Häuser gesehen: „Die Masse an Zerstörung in diesem Sommer ist für mich einzigartig.“ 

Von der Außenwelt isoliert

Vor Ort war den ehrenamtlichen Rettungskräften das Ausmaß gar nicht bewusst. Sie hatten keine Zeit, die Nachrichten zu verfolgen. Obendrein funktionierte das Mobilfunknetz kaum noch: „Etwa jedes zehnte Telefongespräch kam nur zustande­. Sonst gingen die Anrufe gar nicht raus.“ 

Die Infrastruktur brach zusammen – mit vorher unvorstellbaren Folgen: „Einige­ Fahrzeuge benötigten Kraftstoff. Doch zahlreiche Tankstellen in der Umgebung unseres Einsatzortes hatten keinen Strom und funktionierten dementsprechend nicht.“ 

Zusammen zum Einsatzort

Mit diesen Herausforderungen rechneten Lars Müller und die weiteren 30 DLRG-Kameraden aus dem Landkreis Stade nicht, als sie am Abend des 15. Juli starteten. Ehrenamtliche aus den Ortsgruppen Drochtersen, Stade, Horneburg / Altes Land und Buxtehude schlossen sich mit weiteren Helfern aus der Region, wie etwa Lüneburg und Cuxhaven zu einem Einsatzzug zusammen. Ihr Ziel: Heimerzheim westlich von Bonn, wo sie nach einer nächtlichen Fahrt am frühen Morgen ankamen. 

Vorankommen schwierig

Nach einer Pause wurden sie zur Steinbachtalsperre gerufen, weil diese zu brechen drohte. Am nächsten Tag halfen die Rettungskräfte in den Vororten von Rheinbach, pumpten Keller leer, schleppten Sperrmüll und räumten die Straßen auf. Schon der Weg dorthin war kompliziert: 

„Die Straßen waren unterspült oder weggebrochen, ein Lastwagen stand quer auf der Straße.“

Auf digitale Routenführer mussten sie allerdings verzichten – das Mobilfunknetz war überlastet: „Es war gar nicht so einfach eine Landkarte zu kaufen. Selbst an Tankstellen gibt es die oft nicht.“ 

Vermisstensuche

Besonders belastend war der dritte Einsatztag: Die DLRG-Kameraden suchten gemeinsam mit der Bundespolizei und anderen Hilfsorganisationen in dem kleinen Ort Odenbach nach Vermissten. „Dort galt ein Betretungsverbot. Bevor die Einwohner zurückkehren konnten, suchten wir nach Leichen“, so Lars Müller. „Glücklicherweise fanden wir keine Vermissten.“ 

Solch eine Suche ist nichts Ungewöhnliches für die DLRG: „Dafür sind wir ausgebildet. Während des Einsatzes ist man fokussiert. Erst danach denkt man über das Erlebte nach.“ 

Gegenseitige Hilfe

Erfahrene Kollegen stehen bei Bedarf für Gespräche bereit, die Ehrenamtlichen können außerdem Notfallseelsorger kontaktieren. 

„Wir führen die Kameraden langsam an alle Aufgaben heran und achten aufeinander“, ergänzt Lars Müller, dessen Sohn und Ehefrau ebenso DLRG-Mitglieder sind. Sie konnten den 41-Jährigen nach vier Tagen im Flutgebiet wieder in die Arme schließen. 

Familie verlassen, um zu helfen

Dass sie regelmäßig und meistens ganz plötzlich auf ihn verzichten müssen, kennen die beiden schon und haben dafür Verständnis. Rund 30 Mal im Jahr geht der Pieper, weil beispielsweise Segler auf der Elbe in Not geraten sind. Sein Arbeitgeber, die Dow, stellt den Industriemechaniker dafür problemlos frei. 

„Das ist ein sinnvolles Hobby, das Spaß macht“, beschreibt Lars Müller seine Motivation. Und auch der Zusammenhalt sei großartig: „Wir sind eine tolle Gemeinschaft. Hier entstehen enge Freundschaften.“ (nd)